Aktion Sühnezeichen Friedensdienste
Der Sonntag trägt den Namen „Israelsonntag“. War dieser 10. Sonntag nach Trinitatis früher ein Gedenktag der Verwüstung des Tempels in Jerusalem, so ist er heute – im Zeichen der Neubesinnung des Verhältnisses von Christen und Juden – ein Sonntag, an dem die unwandelbare Treue Gottes zu seinem Volk aufgerufen wird und die in Jesus Christus gegründete Verbundenheit der Kirche mit ihm. Unnötig zu betonen, dass jeder Sonntag diesen Namen tragen sollte! Es gibt ihn aber nur einmal im Kirchenjahr; so sollte ihm in Liturgie und Predigt explizit entsprochen werden.
Und wie steht er in der Gemeindewirklichkeit? Die landesüblichen Predigtmeditationen beginnen seit einigen Jahren ihre Überlegungen zum „10. Sonntag n. Tr.“ mit zaghaften Erwähnungen zu diesem „Israelsonntag“ und betonen die Schwierigkeiten, eine verwurzelte Tradition („Judensonntag“ mit dem ungeklärten Thema „Judenmission“) in eine andere -„Israelsonntag“ – umzuschmelzen, die zugleich den Nerv christlichen Selbstverständnisses quälend berührt und seit den Tagen des Neuen Testamentes der kleine schmerzende Stein in den Wanderschuhen der großen Kirchen ist: Die lebendige Existenz Israels vor Gott und den Menschen, die „eine tatsächlich große ökumenische Frage“, die faktische Trennung von Juden und Christen (Karl Barth 1966 im Vatikan!).
Dies spiegelt sich im Gemeindealltag wider: Wer in der Gemeinde „kennt“ Jüdinnen und Juden, welche Gemeinden pflegen Kontakte zu jüdischen Gruppen und Gemeinden? So ist zu Recht gefragt worden, ob die „Gottesdienste in Israels Gegenwart“ nicht ungleich solche in „Israels Abwesenheit“ sind? Und ob das Nachdenken über „Kirche und Israel“ nicht ausschließlich in christlichen Kreisen oder nur wenigen Köpfen stattfindet? Selbst wenn angemessene Formulierungen die Liturgie erneuern helfen, hat das Thema einen „Sitz im Gemeindeleben“, wird es mit Erfahrung gefüllt?
Ein Bündel von Erschwerungen lässt sich aufschnüren: Da ist einmal die aktuelle, in Deutschland extrem scharfe Kritik an Israels politischer Praxis, die in vielen Gesprächen schlechterdings die komplexeste theologisch-historisch-politische Gemengelage offenbart, die in der Kirche zu finden ist! Das geistlich-politische Echo auf „60 Jahre Israel“ war – Schweigen. Weit reicht der Schatten Martin Luthers, eine unendliche Geschichte…Wieder anders, doch damit eng verwandt ist die „Predigt“ der geltenden Perikopenordnungen. Beistand erhält diese Situation durch ein verbreitetes Unwohlsein vieler Christen mit dem, was „Gesetz“ ist, also entschiedener Lebensstil, Verbindlichkeiten in Ethik und Politik, die Bibel als Grundlage des Glaubens zu lieben und zu lernen – vieles, dem andere Stimmen „den Abschied“ geben möchten. Angesichts dieser Ausgangslage ist es umso wichtiger, den religiösen Wellness-Wellen wie dem Schon-immer-Gewussten zu widerstehen und mit der Sache immer wieder anzufangen. Zugänge gibt es viele und Neugier in den Gemeinden über die Generationen (!) hinaus ebenso. Das Gemeindeleben ist eine Baustelle – wo beginnen: Mit der Kirchenmusik? Ein intensiver Blick ins Gesangbuch eröffnet sofort eine Baustelle („…jedoch weil ich gehöre gen Zion in sein Zelt…); die Israelreise-Gruppe, die zwar „biblisch reist“, aber auch Kontakte zu israelischen Gruppen aufnimmt; die Erkundung der religiösen Nachbarschaften: „Wo lebt die nächste Synagogengemeinde?“, Erforschung spezifischer Nachbarschaftsgeschichte: „Es müssen nicht immer Stolpersteine sein!“, Studium der neuen „Präfamina“ zu den gottesdienstlichen Lesungen, die ein Hören der Texte in ihrer Beziehung zu Israel einüben, Lesen und Durchdenken „schwieriger Texte“ der Bibel (Gewalt, Krieg, Opfer u. a.).
„Wenn Sie wüssten, was ich zu tun habe!“ – flächendeckendes Ungemach, gewiss. Nur ein Widerspruch: Die genannten Ansätze beginnen und enden beim Zentrum unseres Gemeindelebens, der Bibel. Und hier dürfen wir nicht Abraham Joshua Heschel auf Dauer Recht geben: „Im Denken unserer Zeit kommt die Bibel nicht vor. Sie wird zwar zur Erbauung zitiert, einer Predigt scheinbar zugrunde gelegt. Aber sie ist keine lebendige Kraft, die unser Leben prüft. Die Bibel wird als Quelle des Dogmas respektiert, nicht aber als lebendige Geschichte.“
Selbst wenn der „Israelsonntag“ noch mancherorts von „Israels Abwesenheit“ bestimmt ist, können in unserer Gottesdienst- und Gemeindearbeit Abwesende anwesend werden – das gehört zu den biblischen Verheißungen…
Die von gliedkirchlichen Zusammenschlüssen EKD, UEK und VELKD angestoßene Arbeit an einer Perikopenrevision dient gleichfalls der mit dem Israelsonntag verbundenen Neubesinnung, so wählen wir aus dem KLAK-Perikopenrevisions-Vorschlag den Text Dtn 5, 4,5-20. Der Liturgie-Entwurf ist ein Rahmen – er ist je nach Ort, Situation und Mitarbeitenden veränderbar.
Download der Arbeitshilfe
Quelle: https://www.asf-ev.de/de/kirchengemeinden/materialien-fuer-kirchengemeinden/israelsonntag.html