Leo Baeck Institut
Leo Baeck Institut: Deutsch-jüdische Geschichte im Unterricht. Eine Orientierungshilfe für Schule und Erwachsenenbildung (2. erweiterte und aktualisierte Fassung 2011.
Bei der Eröffnung des eindrucksvollen Jüdischen Museums in Berlin 2001 hat der damalige Bundespräsident Johannes Rau mahnend ausgeführt„Heute wissen ja nicht nur viele junge Leute von der Geschichte der Juden in Deutschland und in Europa nur eines: dass die Nationalsozialisten den Massenmord an den europäischen Juden geplant und exekutiert haben. Wir müssen die Erinnerung an diese Katastrophe wach halten… Das darf aber nicht zu dem Fehlschluss führen, dass der Holocaust die Summe der deutsch-jüdischen Geschichte sei. Dem müssen wir entgegen treten.“
Die Verengung der geschichtlichen Erinnerung hat auch das Leo Baeck Institut in der ersten Auflage seiner Orientierungshilfe 2003 festgestellt und für eine Korrektur der historischen Sichtweise, also einen Perspektivwechsel, plädiert.
Dies heißt, doppelte Erinnerung bewahren, sowohl an den Holocaust als auch an die über 1000-jährige gemeinsame deutsch-jüdische Geschichte, und beides zusammen als gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche Verpflichtung auf Grund unserer besonderen geschichtlichen Verantwortung, die Teil der Staatsraison Deutschlands ist.
Es ist sehr anzuerkennen, dass sich seit der ersten Auflage dieser Orientierungshilfe 2003 viel gegen das Vergessen und die Bewahrung der Erinnerung an die gemeinsame deutsch-jüdische Geschichte getan hat. In Stichworten können hier nur einige der Aktivitäten genannt werden: die Verbreitung dieser Orientierungshilfe im Schul- und Bildungsbereich, eine zentrale Informationsveranstaltung 2004 im Jüdischen Museum Berlin insbesondere für die Schulministerien der Bundesländer, eine Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung, das besondere Engagement des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands als auch das erfolgreiche Leo Baeck Förderprogramm zusammen mit der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ und bis Herbst 2011 auch der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung. Im Rahmen dieses Förderprogramms sind seit 2005 über 100 Projekte zur deutsch-jüdischen Geschichte in nahezu allen Bundesländern gefördert und jährlich Informationsveranstaltungen für den Lehrerbereich in den Ländern durchgeführt worden; das Programm hat in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung auch zum Aufbau einer Datenbank mit Unterrichtsmaterialien zur deutsch-jüdischen Geschichte geführt. Zu erwähnen sind schließlich auch viele hilfreiche Veröffentlichungen und Informationsmaterialien sowie Ergänzungen in Lehrplänen und Schulbüchern.
Trotz dieser Bemühungen ist das Defizit an deutsch-jüdischer Geschichte im Schulbereich nach wie vor noch groß. Hinzu kommt, dass ein großer Schüleranteil mit Migrationshintergrund seine eigene Kultur und Geschichte mit bringt und den Geschichtsunterricht damit vor neuen Aufgaben und Herausforderungen stellt. Die lange Geschichte der Juden in Deutschland bietet mit ihren Erfolgen, aber auch zeitweiligen Rückschlägen, hervorragendes Anschauungsmaterial für die aktuelle Diskussion über Migration und Integration in unserem Land.
Schließlich geht es bei der Vermittlung deutsch-jüdischer Geschichte auch um den Abbau von Vorurteilen sowie den Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Es geht um die Aufklärung darüber, dass Juden seit mehr als tausend Jahren Teil unserer Gesellschaft sind und die deutsche Geschichte mitgeprägt haben. (aus dem Vorwort, S. III–IV)
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