Von der gesellschaftlichen Notwendigkeit christlicher Antisemitismuskritik

Antisemitismus Europ Institut

Dr. Christian Staffa

„Schwerlich aber ist die religiöse Feindschaft, die für zweitausend Jahre zur Judenverfolgung antrieb, ganz erloschen. Eher bezeugt der Eifer, mit dem der Antisemitismus seine religiöse Tradition verleugnet, daß sie ihm insgeheim nicht weniger tief innewohnt als dem Glaubenseifer früher einmal die profane Idiosynkrasie. Religion ward als Kulturgut eingegliedert, nicht aufgehoben.“ Theodor W. Adorno; Max Horkheimer: „Elemente des Antisemitismus. Grenzen der Aufklärung“ (1944), in: dies.: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt a. M. 1998, 177–217, hier 185.1

Nach Horkheimer und Adorno findet eine Veränderung der Rolle von christlicher Religion statt, doch die Relevanz religiöser Motive im Antisemitismus bleibt bestehen. Fast könnten wir das Bild des Schachautomaten von Walter Benjamin gegen seine Intention lesen und die Theologie, „die ja bekanntlich klein und hässlich ist“, dem säkularen Antisemitismus den Arm führend uns vorstellen.2

Für die christliche Theologie gilt, dass die Bearbeitung des Antisemitismus zentral ist für die schmerzhafte Aufarbeitung eigener Gewalttraditionen, für ein Akzeptieren der Ambivalenzen im Glauben und für den Verzicht auf christliche Identitätsbildung durch immer wieder auch gewaltförmige Ab- und Ausgrenzung gegen „die Juden“. Abwehr von Ambivalenzen, Identitätsbildung durch Ausgrenzung gerade im Bereich des Nationalen sind auch im säkularen Antisemitismus virulent. Hier hilft die klassische begriffliche und historische Trennung von Antisemitismus und christlichem Antijudaismus nicht recht weiter. Ich erspare mir hier, was wir uns eigentlich nicht ersparen sollten, die Kritik der bisherigen historischen Aufteilung in Antijudaismus und rassischen Antisemitismus, die zumindest durch einen Protoantisemitismusbegriff ergänzt werden müsste.

Einen dritten anspruchsvollen Aspekt notwendiger breiter Bearbeitung christlichen Antisemitismus betont die katholische Alttestamentlerin Irmtraud Fischer:

„Die andere Seite ist freilich die Bringschuld jener neueren akademischen Theologie, der es zwar gelungen ist, ihre Sensibilität für antijüdische Argumentationen bis in offizielle kirchliche Dokumente hinein durchzusetzen, die aber offenkundig bis jetzt nicht in der Lage war, dies auch in der breiten Öffentlichkeit entsprechend zu kommunizieren. Auch wenn in einem Klima, das christlicher Theologie in den Medien keine große Relevanz mehr zugesteht […], so wäre doch eine stärkere kulturwissenschaftliche Orientierung akademischer Theologie ein erster Ansatz, die Verankerung der Theologie im gesamtuniversitären Diskurs zu gewährleisten und damit auch ihr Anliegen, gegen Antijudaismus und Antisemitismus anzukämpfen, deutlicher im akademischen Disput zu vermitteln.“3

Dieser Aspekt macht darauf aufmerksam, dass recht eigentlich Theologie und Kirche zu den vordersten Kämpferinnen gegen Antisemitismus gehören müssten und darin auch ihre Rolle im akademischen Diskurs finden könnten. Leider ist weder der kulturwissenschaftliche Blick noch die Sensibilität für die eigenen antijudaistischen und antisemitischen Abgründe in der akademischen Theologie ausgeprägt genug, um diese Rolle einzunehmen.

Somit müssten also sowohl die Theologie sich in höchsteigenem Interesse und aufgrund ihrer Verantwortung für die „säkulare“ Gesellschaft ihrer judenfeindlichen Geschichte und deren Gründen zuwenden wie auch die Antisemitismusforschung sich zum besseren Verstehen theologischen Fragen öffnen.4 Dann würde sichtbar, dass der säkulare Antisemitismus, fast ließe sich sagen, „gnadenlos“ christlich grundiert ist und erst dann wohl adäquat zu bearbeiten wäre.

An dieser Stelle soll es um eine sicher zu kurze Darstellung christlicher judenfeindlicher Bilder und Typologien, Formen der Bearbeitung und die Desiderate gehen, sowie beispielhaft um christliche Bilder, wie sie sich im „säkularen“ Antisemitismus wiederfinden.

Vielleicht ist es für eine vermutlich Theologie und Christentum eher fern stehende Leserschaft wichtig, kurz die im Christentum virulenten Themen der Feindschaft gegen das Judentum zu skizzieren.

Gottesmord

Da ist zunächst der klassische und tatsächlich schon im Neuen Testament angelegte Vorwurf des „Gottesmordes“. Dies setzt erstens voraus, dass Jesu Tod am Kreuz nicht den römischen Behörden, sondern „den Juden“ zugeschrieben, sowie zweitens dass Jesus Christus nicht nur als Sohn Gottes, sondern als gottgleich verstanden wird. Das eine ist historisch und das andere biblisch kaum zu belegen5 und weist auf die spätere (un-)heilsgeschichtliche Erzählung. Die innere christliche Logik des Todes von Jesus Christus als durch seine Auferweckung bestätigtes Heilsgeschehen an „Juden und den Völkern“, also allen Menschen, wird mit dem Mordvorwurf an die Juden konterkariert. Zugespitzt und theologisch etwas unterkomplex gesagt: Wäre es ein an den Juden zu bestrafender Gottesmord, dann wäre es kein Erlösungsgeschehen. Ist es ein Erlösungsgeschehen, dann bleibt es zwar ein römischer Justizmord, aber die Verantwortlichen sind zumindest Werkzeuge Gottes im Sinne der geglaubten Erlösung.

Der Gottesmordvorwurf an die Juden korrespondiert mit der für die spätere Kirche kränkenden wie auch dem absoluten Wahrheitsanspruch der Kirche widerstreitenden Tatsache, dass die meisten Juden und Jüdinnen sich nicht zu dem sich auf die Verheißungen des Alten Testamentes beziehenden und aus ihnen geborenen neuen Glauben an den Messias Jesus bekannten.

Verrat

Das angebliche Verratsmotiv des Judas ist wiederum ein Widerspruch gegen den eigenen Glauben, der Tod und Auferweckung Jesu notwendig als Heilsgeschehen versteht. Zudem ist die Handlung zumindest in ihrer Schlüssigkeit befragbar: Judas verrät Jesus an die römischen Soldaten angeblich durch einen Kuss. Da Jesus schon einige Berühmtheit in Jerusalem erlangt hatte, waren die Sicherheitsbehörden also kaum auf ein körperliches Signal zur Markierung des zu Ergreifenden angewiesen. Dass für diese Markierung auch noch Geld bezahlt worden sein soll, ergänzt die Erzählung der Verstrickung, und sie endet fast notwendig mit der Bestätigung des Bösen, nämlich Judas, durch seinen Selbstmord. Sicherlich bildet diese neutestamentliche, von jesusgläubigen Juden geschriebene Erzählung reale Konflikte in der damaligen jüdischen Gemeinschaft ab. Aber losgelöst von der konkreten Konfliktgeschichte wurde sie zum Kernstück antijüdischer Polemik.

Judas aber ist der personifizierte Einspruch gegen die nicht eingetretene und doch versprochene radikale Weltveränderung, die sich im Begriff des Reiches Gottes ausdrückt, das nach Jesu Worten nahe herbeigekommen ist: die Entthronung der Mächtigen, die Erhöhung der Niedrigen und je nach Glaubensrichtung die Überwindung des Todes. Dieser Einspruch, der in der Enttäuschung des Judas seinen Ausdruck findet, der eben auch der jüdische Einspruch gegen das christliche Messiasverständnis ist, saß wie ein Stachel im Fleisch der sich der weltlichen Macht anschmiegenden Kirche und wurde dementsprechend denunziert. Zugespitzt ließe sich sagen, dass die eigene Unsicherheit aufgrund fehlender Einlösung der Verheißungen zu einer Selbstermächtigung von Kirche und zu einer dramatischen und realen, spätestens ab dem Beginn des 2. Jahrtausends auch zu einer tödlichen Ausgrenzung dieser dann dem Judentum zugeschriebenen Frage geführt hat.

Juden sind nach dieser Polemik nicht nur Nachfolger des Judas und damit eben auch Gottes-Verräter, sondern fortan das umfassend negative Gegenbild zu den Christen. Alt gegen neu, Fleisch gegen Geist, Gesetz gegen Gnade, Rache gegen Liebe und in moderneren Zeiten unter anderem direkt an diese Dualismen anschließend Partikularität gegen Universalität und Gewalt gegen Gewaltlosigkeit.

Identität – fragliche Ursprünge

Die neuere Forschung zur Frage der Entstehung des Christentums wie auch des rabbinischen Judentums bringt zusätzliche Verunsicherung in das Selbstbild der Kirchen und in gewisser Weise auch in das hier nicht zur Rede stehende Selbstbild des Judentums.6
Es ist sehr viel unsicherer geworden, wie eigentlich von den jeweiligen Parteien der neutestamentlichen Geschichte zu reden sei. Der Satz „die ersten Christen waren Juden“ gilt wohl für alle Autoren des Neuen Testamentes. Was heißt das aber für die Beziehungen von Juden und Christen in Hinblick auf die angeblichen oder wirklich „judenfeindlichen“ Äußerungen in eben diesem Neuen Testament? Zunächst einmal so viel: Es sind zumeist feindliche Äußerungen einer jüdischen Gruppe gegenüber einer anderen jüdischen Gruppe mit jeweiligen Ausschlussforderungen und Ausgrenzungsargumenten. Diese innerjüdischen Streit-Argumente werden in der Hand der dann spätestens seit dem 4. Jahrhundert sich als nichtjüdisch verstehenden Religion des Christentums, das zur Staatsreligion wird, zu Waffen gegen „das Judentum“, das sich dem christlichen Glauben nicht anschließt.

An diesen drei Beispielen lässt sich sehen, dass Judenfeindschaft auf Selbstidealisierung aufbaut. Dieses kirchliche Selbstbild kann schwer seine eigene Bedingtheit im Judentum und seine Angewiesenheit auf das Judentum akzeptieren. Der ebenso schwer zu akzeptierende Umstand sich nicht einstellen wollender spürbarer und sichtbarer „Erlösung“ wird dem Unglauben der Juden zugeschrieben. Sie werden zu den prototypischen Ungläubigen, die gerade durch ihren Unglauben und das Verfolgtsein, den Verlust des Tempels und des Landes den Glauben der Christen bestätigen. Nicht mehr der Glaube wird bewiesen, sondern der Unglaube der anderen. Diese Figur der Projektion verweist einmal mehr darauf, dass es im Antisemitismus nicht um irgendeine reale Eigenschaft oder historische Beschreibung von Juden, sondern um die Sicherung und Entwicklung eines christlichen und, daraus folgend bzw. parallel, eines nationalen, kulturellen Selbstbildes geht.

Im Kern ist also die Judenfeindschaft getragen von einem Selbstbild, das alles Ambivalente und/oder Negative bis hin zu dem eigenen permanent drohenden Fall in den „Unglauben“ – weil eben im biblisch radikalen Sinne so wenig zu sehen ist von einer positiven Veränderung der Welt – anderen zuweist und es an ihnen auch bekämpft oder im wahrsten Sinne des Wortes exekutiert.

Drei Horizonte scheinen mir nach dieser etwas kurzen Einführung für die Fragen nach dem Zusammenhang christlicher Glaubensüberzeugungen und christlicher Theologie mit antisemitischen Einstellungen in dem schier unübersehbaren Material hilfreich für ein ansatzweises Verständnis in der Gegenwart.

Ergebnisse kirchlicher Reflexionsprozesse

Schauen wir auf kirchliche Stellungnahmen der jüngeren Geschichte mit Akzent auf protestantische. Denn durch die Reformationsgeschichte und die überdurchschnittlich hohe Kollaborationsbereitschaft und Verstrickung mit dem NS-Regime ist dem deutschen Protestantismus Gewaltaffinität und Judenfeindschaft zur Bearbeitung aufgegeben. Die zentralen Themen der protestantischen Erklärungen und wohl auch das Movens der sehr offenen katholischen Grundlegung eines neuen Verständnisses im Zweiten Vaticanum 1964 waren die erschütternde Mit-Schuld an der Shoah, deren Gründen in der Theologie nachgegangen wurde.

Das Neue (Neues Testament, Neuer Bund, neues Jerusalem und Neues Israel …) wurde in der Geschichte der Kirchen als das Gute verstanden, das Alte (Judentum, Altes Testament – also der hebräische Teil der Bibel, der traditionell „Altes Testament“ genannt wird) als das Schlechte. Alle prophetische Rede im Alten Testament zur gelingenden Zukunft und der Kritik an Herrschaftsverhältnissen biblischer Zeiten wurde und wird zum Teil noch heute als Kritik am Judentum verstanden, die verheißene und in Teilen gelingende Zukunft hingegen als die christliche. In christlicher Rezeption wurde das Alte abgelöst, für untauglich und feindselig erklärt, denunziert, diskriminiert und dann um der Sichtbarmachung der eigenen Erlösung willen negativ markiert und letztlich fast ausgelöscht.

Inzwischen haben nun die meisten Landeskirchen folgende Elemente in ihren Grundordnungen aufgenommen:

„die Absage an den Antisemitismus, das Eingeständnis christlicher Mitverantwortung und Schuld am Holocaust, die Erkenntnis der unlösbaren Verbindung des christlichen Glaubens mit dem Judentum, die Anerkennung der bleibenden Erwählung Israels, die Bejahung des Staates Israel“.7

Das ließe sich auch zusammenfassen mit dem einen Satz: Judenfeindschaft und Antisemitismus sind Unglaube. Damit löst sich die protestantische Kirche von den Grundlagen der Judenfeindschaft in ihrer Theologie und gibt diesen Erkenntnissen gleichsam Verfassungsrang.

Dem lassen sich noch zwei wichtige neue Erklärungen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hinzufügen, eine von 2015 zum Reformationsjubiläum und eine von 2016 zur Abwehr von Judenmission:

„Wir stellen uns in Theologie und Kirche der Herausforderung, zentrale theologische Lehren der Reformation neu zu bedenken und dabei nicht in abwertende Stereotype zu Lasten des Judentums zu verfallen. Das betrifft insbesondere die Unterscheidungen ,Gesetz und Evangelium‘, ,Verheißung und Erfüllung‘, ,Glaube und Werke‘ und ,alter und neuer Bund‘. […]
Wir erkennen, welchen Anteil die reformatorische Tradition an der schmerzvollen Geschichte der ,Vergegnung‘ (Martin Buber) von Christen und Juden hat. Das weitreichende Versagen der Evangelischen Kirche gegenüber dem jüdischen Volk erfüllt uns mit Trauer und Scham. Aus dem Erschrecken über historische und theologische Irrwege und aus dem Wissen um Schuld am Leidensweg jüdischer Menschen erwächst heute die besondere Verantwortung, jeder Form von Judenfeindschaft und -verachtung zu widerstehen und ihr entgegenzutreten.“8

Hier wird auf grundlegende Kategorien der Reformation verwiesen, die die Abwertung jüdischen Glaubens implizieren. Damit ist ein in der kirchlichen Diskussion nicht unumstrittener Arbeitsauftrag der Prüfung gegeben, theologische Kategorien, die in der Geschichte judenfeindlich wirksam wurden, nicht als akzidentielle oder kontextuelle Folge zu werten, sondern sie als der Theologie inhärent zu verstehen:

„Wir bekräftigen: Die Erwählung der Kirche ist nicht an die Stelle der Erwählung des Volkes Israel getreten. Gott steht in Treue zu seinem Volk. Wenn wir uns als Christen an den Neuen Bund halten, den Gott in Jesus Christus geschlossen hat, halten wir zugleich fest, dass der Bund Gottes mit seinem Volk Israel uneingeschränkt weiter gilt. Das nach 1945 gewachsene Bekenntnis zur Schuldgeschichte gegenüber den Juden und zur christlichen Mitverantwortung an der Schoah hat zu einem Prozess des Umdenkens geführt, der auch Konsequenzen im Blick auf die Möglichkeit eines christlichen Zeugnisses gegenüber Juden hat.
Christen sind durch den Juden Jesus von Nazareth mit dem Volk Israel bleibend verbunden. Das Verhältnis zu Israel gehört für Christen zur eigenen Glaubensgeschichte und Identität. Sie bekennen sich ,zu Jesus Christus, dem Juden, der als Messias Israels der Retter der Welt ist‘ (EKIR, Synodalbeschluss von 1980).
Wo in Verkündigung und Unterricht, Seelsorge und Diakonie das Judentum verzeichnend oder verzerrt dargestellt wird, sei es bewusst oder unbewusst, treten wir dem entgegen. Wir bekräftigen unseren Widerspruch und unseren Widerstand gegen alte und neue Formen von Judenfeindschaft und Antisemitismus.“9

Welch ein weiter Weg hier zurückgelegt wurde, lässt sich aus der Differenz zum Wort des in der Regel als linksprotestantisch verstandenen Bruderrats von 1948 ersehen, das ein Bußwort sein sollte zur eigenen Verstrickung in die NS-Ideologie:

„Die Erwählung Israels ist durch und seit Christus auf die Kirche aus allen Völkern, Juden und Heiden, übergegangen. […] Israel unter dem Gericht ist die unaufhörliche Bestätigung der Wahrheit, Wirklichkeit des göttlichen Wortes und die stete Warnung Gottes an seine Gemeinde. Daß Gott nicht mit sich spotten läßt, ist die stumme Warnung den Juden zur Mahnung, ob sie sich nicht bekehren möchten zu dem, bei dem allein auch ihr Heil steht.“10

Trotz dieser enorm positiven und angesichts der langen Geschichte institutionell getragener christlicher Judenfeindschaft und der langen antisemitischen Grundhaltung kaum zu überschätzenden Entwicklung kirchlicher Positionierungen seit 1945 bleibt die Frage nach der Tiefenwirkung dieser positiven Entwicklung berechtigt und eine Herausforderung an säkulare Forschung wie an christliche Selbstreflexion, Forschung und Lehre, wie sie oben schon von Irmtraud Fischer als Bringschuld festgestellt wurde. Albert Scherr beobachtet:

„Mit diesen Feststellungen ist aber zunächst noch nichts darüber ausgesagt, ob und ggf. wie gleichwohl eine Tradierung von antisemitischen Haltungen und Stereotypen in evangelisch geprägten Milieus sowie im institutionellen Alltag der evangelischen Kirche (schulischer Religionsunterricht, Konfirmandengruppen und evangelische Jugendarbeit, Gottesdienste und sonstige Kommunikation in den Kirchengemeinden) erfolgt. Denn es kann ersichtlich nicht davon ausgegangen werden, dass sich die kirchliche Alltagskommunikation und die Einstellungen von Kirchenmitgliedern unmittelbar an gegenwärtigen amtskirchlichen und theologischen Vorgaben orientieren.“11

Dabei ist eine Formulierung in Scherrs Gutachten zu bestreiten. Er fordert dazu auf, die „genuin antisemitischen Inhalte im neuen Testament“12 einer Bearbeitung zu unterziehen. Folgen wir den neueren Erkenntnissen der Judaistik jüdischer und christlicher Provenienz, dann ist deutlich, dass das Neue Testament ein jüdisches Buch ist. Korrekt und von großer Bedeutung wäre dann eine Formulierung, die von antisemitisch rezipierten Stellen im Neuen Testament spricht und davon, was sie im historischen Kontext bedeutet haben mögen.

Interessanter scheint es mir, in kirchlichen Bildungskontexten und auch in der Theologiebildung die Frage zu stellen, wie es denn zu dieser „Not“ kommen kann, dass der eigene Unglaube am „Juden“ gesehen und gestraft wird, und warum das Selbstbild als Christin oder Christ in der Geschichte verlangte, dass die Juden als die Anderen markiert und des Lebens beraubt wurden?

Offene Fragen

Alle zitierten Beschlüsse der Kirchen, so grundlegend sie die Position zum Judentum neu formulieren, legen keine Rechenschaft darüber ab, warum denn in der Kirchengeschichte es zu dieser gewaltförmigen Negativsicht auf das Judentum gekommen ist. Sie kommen den Mechanismen nicht auf die Spur, die, so ließe sich jedenfalls fragen, vielleicht schon in der komplizierten Konstruktion von „schon und noch nicht“ angelegt ist, also von schon jetzt im Glauben erfülltem Heil und doch noch ausstehender Erlösung, von schon geschehenem Sieg über den Tod in Jesu Auferweckung und dem täglichen Sterben. Im guten Falle bezieht sich die Weltsicht christlichen Glaubens demütig auf das Judentum als Volk Gottes, von dem als Hinzukommende zu lernen sei, wie es sich in der Geschichte mit der Weisung Gottes und dem eigenen immer wiederkehrenden Abweichen vom Weg bewegt hat. Im schlechten Falle aber wiederholen die Christen endlos das Opfer, an dessen Kraft sie nicht glauben können.13

Die schiere Existenz des Judentums war den Kirchen in ihrer Geschichte – und auch das gilt nicht selten bis heute – eine narzisstische Kränkung. Die eigene Unsicherheit, der eigene Unglaube, in christlicher Sprache auch Sünde genannt, wird der fortwährenden Existenz des Judentums in gewaltförmiger Umkehrung zugewiesen. Deshalb ist das Judentum immer das je phantasierte machtvolle und falsche Andere.14

Säkularisierte Glaubensfiguren

Diesen Projektions- und Delegationsmechanismen auf die Spur zu kommen und damit auch den historischen und gegenwärtigen Konstruktionen des Selbst- und Weltbilds, ist ein bleibendes Desiderat in der Theologie und auch, wie gesehen, in der kirchlichen Bildungsarbeit. Die positiven Näherungen, die die evangelische Religionspädagogik an „die Anderen“ bevorzugt, ist als Bearbeitungsform unzureichend. Lässt diese Form der Annäherung doch die Selbstbilder und die damit verbundenen Negativprojektionen unbearbeitet und damit unverstanden. Die Schulderklärungen der Kirchen helfen da mehr, aber benötigen Begleitung durch fundamentale Veränderungen in den Lehrinhalten und der Reflexion der christlichen Selbstbilder. Diese Aufgabe liegt bleibend vor uns.
Es ist kaum zu übersehen, welche Rolle die Kirchen in der Herausbildung und Einwurzelung antisemitischer Stereotypen in die gesellschaftliche Wirklichkeit nicht nur der sogenannten westlichen Zivilisation gespielt haben. Ihre Verantwortung gilt deshalb auch dem Aufspüren der christlichen Bestände im „säkularen“ Antisemitismus.

Opferstilisierungen

„Darauf spekuliert tatsächlich einer der wesentlichen Tricks von Antisemiten heute: sich als Verfolgte darzustellen; sich zu gebärden, als wäre durch die öffentliche Meinung, die Äußerungen des Antisemitismus heute unmöglich macht, der Antisemit eigentlich der, gegen den der Stachel der Gesellschaft sich richtet, während im allgemeinen die Antisemiten doch die sind, die den Stachel der Gesellschaft am grausamsten und am erfolgreichsten handhaben.“15 Mehr als ein halbes Jahrhundert ist Adornos Vortrag alt, doch das von Adorno erwähnte „heute“ ist noch längst nicht unser Gestern.

Antisemitische Welterklärungsmuster beschreiben sich als „den Juden“ unterlegen und suggerieren Angst vor vom Antisemiten phantasierten und selbst gewünschten jüdischen „geheimen Mächten“. Die im Antisemitismus grundlegende Selbststilisierung als Opfer der Juden und das damit einhergehende Unterlegenheitsgefühl gehen zurück auf christliche Tradition. Da ist vermutlich das erwähnte Gottesmordmotiv grundlegend, das durch Identifikation der Christen mit ihrem Christus die Juden in der Verfolgerrolle phantasiert. Unter Bedingungen kirchlicher Herrschaft und realer Verelendung und Verfolgung von Juden wird diese Zuschreibung zwar absurd, aber gleichwohl durchgehalten.

Zu Luthers Zeiten, als aus den meisten deutschen Ländern die Juden vertrieben waren, klingt diese Phantasie so:

„Nun siehe, welch eine feine, dicke, fette Lüge das ist, da sie klagen, sie seien bei uns gefangen. Es sind über 1400 Jahre, daß Jerusalem zerstöret ist, und wir Christen zu der Zeit schier 300 Jahre lang von den Juden gemartert und verfolget sind in aller Welt (wie droben gesagt), daß wir wohl möchten klagen, sie hätten uns Christen zu der Zeit gefangen und getötet, wie es die helle Wahrheit ist. Dazu wissen wir noch heutigen Tages nicht, welcher Teufel sie her in unser Land gebracht hat; wir haben sie zu Jerusalem nicht geholet.“16

Dieser Mechanismus ist wohlbekannt in allen Schattierungen. Selbststilisierungen als Opfer (nicht nur der jüdischen Finanzlobby) sind Legion.

Geld

„Da ist zum Beispiel die Frage des Geldes und des Wuchers, was aus dem Mittelalter überkommen ist, das ist auch ein Motiv, was sich im christlichen Antijudaismus findet. Und dann, was immer kommt, auch im modernen Antisemitismus, ist auch die Frage des Kindermordes, also dass Juden zu Pessach Kinderblut gebrauchen, um ihre Matze zu backen. Und das findet man dann bis heute auf Demos, die sich mit dem Palästinenserkonflikt befassen, wenn dort ,Kindermörder Israel‘ gerufen wird. Dann ist das zumindest ein Resonanzraum.“17

nachdenken, die für einen (nicht stattgehabten) Verrat bezahlt wird, verzweifelt, nicht sich zur Gruppe der Jünger zurückbegibt, sondern unglücklich sich das Leben nimmt. Die Negativbesetzung des Geldes scheint mir hier gleichsam unheilsgeschichtlich also religiös verankert und als solche übersehen.

Sie spielt auch in einer aus meiner Sicht völlig verzerrten sogenannten befreiungstheologischen Perspektive auf Israel eine Rolle. So zitiert Ulrich Duchrow zustimmend: „Im westlichen Imperium ist Israel also das Extrem der westlichen kolonialistischen, kapitalistischen, imperialen, wissenschaftlich-technischen, gewalttätigen Eroberungskultur der letzten 500 Jahre.“18

Israel wird so zum absurd gesteigerten Sinnbild der Negativität nicht nur des Geldes, sondern von allem, was damit zusammenhängend negativ anzuführen sein könnte.

Kindermordvorwurf

Wer diese Interpretation und die Korrespondenz oder Verabredung mit biblischen Bildern als zu spekulativ empfindet, sei an das in der modernen emotionalisierten Israelkritik von Stefanie Schüler-Springorum schon erwähnte Motiv des Kindermordes erinnert. Ist es doch nicht leicht verständlich, dass fast ausschließlich Israel mit dem Kindermordvorwurf so explizit bedacht wird, in Parolen und auch in der Bildsprache der Medien. Aus meiner Sicht ist das nicht zu denken ohne die Geschichte des Ritualmordvorwurfes, der besagt, dass „die Juden“ aus dem Blut der geraubten Kinder ihr Pessachbrot backen. Die Verknüpfung mit Pessach als der Zeit, in der Jesus gekreuzigt wurde, ist sicher kein Zufall. Stellt doch das Pessachfest ein prominentes Glaubenszeugnis des Judentums dar, das aus christlicher Perspektive gleichsam negativ mit dem Kreuzestod und dem eigenen Glauben korrespondiert. So wäre der Kindermordvorwurf – neben der sicher immer noch damit verbundenen Projektion eigener Aggressivität gegen Kinder – der Beleg für den Ausschluss Israels aus der (christlichen) Völkerfamilie.

Partikularität und Universalität

„Das Vermächtnis des jüdischen Volkes an die Menschheit ist der Glaube an den einen Gott und die Gottebenbildlichkeit des Menschen. Gott hat den Menschen nach seinem Bild geschaffen. Darum ist der Mensch, jeder (!) Mensch, Gott heilig. Dieser Glaube wird im Schöpfungshymnus Gen. 1 bezeugt. In den nationalistischen Traditionen des Dtn. und des deuteronomistischen Geschichtswerks wird der universale Topos der Gottebenbildlichkeit verkannt und der Glaube vertreten, Gott würde um Israels willen die anderen Völker und Menschen preisgeben.“19

Verräterisch ist die Sprache: „Das Vermächtnis des jüdischen Volkes“. Wie bei dem Wort „alttestamentarisch“ schleicht sich ein unbewusster Beleg dafür ein, dass es mit diesem Volk vorbei sei. Immerhin hat es Großes hinterlassen, das im Christentum sich verewigt. Das Christentum ist der wahre Erbe des Judentums, weil es ohne jenes deuteronomistische „partikulare“ Geschichtsbild auskomme und für Universalität stehe. Auffallend neben der Erbschafts- und damit tendenziellen Enterbungssprache ist wiederum das Auskommen ohne biblisch-theologische Logik. Es wäre doch zu fragen, warum eben jene beiden Dimensionen, das Partikulare und das Universale, in der hebräischen und damit auch in der christlichen Bibel vorkommen? Stattdessen wird konstatiert, dass die eine Seite der Heiligen Schrift das Zentrale verkennt. Dass diese partikulare Tradition mörderisch sein soll, nimmt dann ein altes Feindmotiv wieder auf. Hier ließe sich des Weiteren auf Stimmen verweisen, die Israel „vor sich selbst“ retten wollen, weil sie, wie der eben zitierte Jochen Vollmer, Israel oder wahlweise die Bibel besser verstehen als sie sich selbst.

Wichtig ist an dieser Stelle, aber auch bezogen auf fast alle Konflikte im Kontext antijüdischer Ressentiments wie zum Beispiel der Beschneidungsdebatte, zu betonen, dass weite Teile der Kirchenleitungen in Deutschland sich gegen antijüdische theologische Positionen stellen. Wie schon erwähnt heißt dies nicht, dass dies an der kirchlichen Basis in gleicher Weise geschieht.  Das gesellschaftliche und kirchliche Bewusstsein für die christlich-religiöse Grundierung antisemitischer Stereotypen bleibt davon leider weitgehend unberührt.

Zusammenfassend lässt sich ein Auseinanderdriften kirchlicher Basis und theologischer Grundlegungen der Landeskirchen und der EKD konstatieren und als Aufgabe der Zukunft beschreiben. Zudem muss hier noch einmal auf die kirchliche Verantwortung für eben diese christliche Grundierung des Antisemitismus und dessen nachhaltige Verankerung im gesellschaftlichen Bewusstsein und die oft unverstandene Projektionsfigur verwiesen werden. Pädagogische und politische sowie theologische Aufgabe bleibt, diese in den Blick und in Angriff zu nehmen. Über positive Annäherungen an den oder die Andere wird es nicht gehen, da nicht der oder die Andere, sondern das Selbstbild und dessen Rettung oder Idealisierung als Religion, als Nation, als Mensch Gegenstand jener Negativität und jener Feindschaft sind.

Und deshalb last but not least: Wer nichts von christlicher Judenfeindschaft versteht, versteht den Antisemitismus nicht.

Pädagogische Anmerkungen

Aus diesen Überlegungen ergeben sich Anforderungen an kirchliche Bildungsarbeit, die aber auch in anderen Disziplinen immerhin zu diskutieren wären.

Es führt kein Weg daran vorbei, die skizzierten Projektionsmechanismen in pädagogischen Handlungsfeldern zu bearbeiten. Sie sind Kern des Welterklärungsmodells Antisemitismus. Das bedeutet, dass ein tragendes Element dieser Arbeit Selbstreflexion sein muss, die zunächst die Muster der Multiplikator*innen, wie sie sich die Welt erklären, zum Gegenstand hat. Dieser Prozess zeigt gleichzeitig auf, mit welchen Themen oder Mustern Antisemitismen verbunden sind. Allerdings führt nicht jedes dieser Muster zu einem geschlossenen antisemitischen Weltbild. Da aber, wie wir gerade gegenwärtig sowohl an Haltungen zu Israel, aber auch und besonders gerade im Hang zu Verschwörungsideologien sehen können, lassen sich diese Muster schnell in Konfliktkonstellationen mobilisieren. Deshalb bedarf es im christlichen Kontext der grundlegenden Neu- oder Anderserzählung der Judasgeschichte, wie auch ihrer veränderten Verankerung in der Abendmahlsliturgie, die immer noch von seinem Verrat spricht. Die Verschwörungselemente der Passionsgeschichte, die den Hohepriester und die „herrschende jüdische Schicht“ beschließen lässt, Jesus zu beseitigen, müssen anders kontextualisiert werden. War doch auf jeden Fall ein Motiv solcher Überlegungen, deren Vollzugs sie nicht die Mittel hatten, die Angst vor Aufruhr gegen Rom mit möglicherweise sehr gewaltvollen Folgen für das Volk Israel, wie sie dann auch 70 n. Chr. eintraten. Diesen Beispiele ließen sich weitere anfügen, das soll hier nicht geschehen. Gleichwohl aber will ich auf eine Aporie hinweisen, der kaum zu entinnen ist. Die Bearbeitung antisemitischer Stereotypen, wie z.B. die des Gottes- und Kindermordes einschließlich deren Bebilderung, steht immer in der Gefahr, diese tief verankerten tradierten Bilder „vom Juden“ nicht zu verändern, sondern im Rücken und gegen den Willen der gutwilligen Akteure zu vertiefen. Deshalb ist Achtsamkeit im Umgang mit diesen Bildern und Texten Teil des Bildungshandelns, die leider nie bedeutungslos werden wird. Denn wir reden hier nicht über normalem Bildungshandeln durch Aufklärung zugänglichen Einstellungen und Haltungen, sondern über Jahrhunderte eingefurchte Bilder in Herzen und Köpfe. Das zeigt einerseits die Größe der Aufgabe aber auch zum Besseren hin, dass die Erkenntnisse und Umkehrprozesse, die z.B. Kirchen in der Annahme von schuldhafter Verstrickung in ihre eigenen antijüdische und antisemitische Vergangenheit und Gegenwart nicht gering zu schätzen sind, auch wenn noch viel Weg vor uns liegt.

Dr. Christian Staffa ist seit Oktober 2019 EKD-Beauftragter für den Kampf gegen Antisemitismus. Er studierte evangelische Theologie in Berlin, Tübingen und Prag, war 1999–2012 Geschäftsführer von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V. (ASF) und ist seit 2013 Studienleiter für Demokratische Kultur und Kirche/Bildung an der Evangelischen Akademie zu Berlin. Außerdem ist er Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung AMCHA, Christlicher Vorsitzender der AG Juden und Christen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag, Kuratoriumsmitglied des Instituts Kirche und Judentum sowie Mitglied im SprecherInnenrat der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus.

Fußnoten

  1. Theodor W. Adorno; Max Horkheimer: „Elemente des Antisemitismus. Grenzen der Aufklärung“ (1944), in: dies.: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt a. M. 1998, 177–217, hier 185.
  2. Vgl. Christian Staffa, Vorwort, in: Antisemitismus als politische Theologie. Typologien und Welterklärungsmuster, epd-Dokumentation 17, 25.4.2017, 2: https://www.eaberlin.de/nachlese/dokumentationen/2017-17-epd-antisemitismus-als-politische-theologie/2017-17-epd-antisemitismus-als-politische-theologie.pdf (zuletzt aufgerufen: 29.5.2020).
  3. Irmtraud Fischer: „… immer noch bei ,alttestamentarischer Grausamkeit und Rache‘… Die Achtsamkeit gegenüber Antijudaismus in der Theologie hat ein Kommunikationsproblem“, in: Sara Han; Anja Middelbeck-Varwick; Markus Thurau (Hg.): Bibel – Israel – Sprache. Studien zur jüdisch-christlichen Begegnung. Festschrift für Rainer Kampling, Münster 2018, 305–312, hier 312.
  4. Vgl. dazu auch Klaus Holz, der im modernen Antisemitismus eine Rekombination von Säkularem und Religiösem sieht: „Luthers Abweg. Die evangelische Kirche stellt sich dem Judenhass des Wittenberger Reformators. Für die unselige Geschichte, wie der Protestantismus völkisch wurde, bleibt sie blind“, in: Die Zeit 49, 2016.
  5. Siehe dazu: Klaus Wengst: „Nicht im Kontrast zum Judentum, sondern in seinem Kontext: zum Verstehen des Neuen Testaments“, in: Edith Petschnigg; Irmtraud Fischer (Hg.): Der „jüdisch-christliche“ Dialog veränderte die Theologie. Ein Paradigmenwechsel aus ExpertInnensicht, Wien u. a. 2016, 112–123, hier 120: „Setzt man diese [die dogmatische, CS] Brille ab und nimmt die entsprechenden Aussagen in ihrem biblisch-jüdischen Kontext wahr, kann von einer Gottheit Jesu keine Rede sein, sehr wohl aber das Zeugnis vernommen werden, dass in diesem jüdischen Menschen kein Geringerer als Gott selbst zu Wort und Wirkung kommt.“
  6. Siehe Daniel Boyarin: Abgrenzungen. Die Aufspaltung des Judäo-Christentums (= Arbeiten zur neutestamentlichen Theologie und Zeitgeschichte, Bd. 10; Arbeiten zur Bibel und ihrer Umwelt, Bd. 1), Dortmund; Berlin 2009, oder ders.: Die jüdischen Evangelien. Die Geschichte des jüdischen Christus (= Judentum – Christentum – Islam, Bd. 12), Würzburg 2015.
  7. Siehe EKiR (Hg.): Den rheinischen Synodalbeschluss zum Verhältnis von Christen und Juden weiterdenken – den Gottesdienst erneuern, Düsseldorf 2008, 118: https://www.ekir.de/www/downloads/ekir2008arbeitshilfe_christen_juden.pdf (zuletzt aufgerufen: 29.5.2020).
  8. Siehe unter: https://www.ekd.de/synode2015_bremen/beschluesse/s15_04_iv_7_kundgebung_martin_luther_und_die_juden.html (zuletzt aufgerufen: 29.5.2020).
  9. Kundgebung „… der Treue hält ewiglich.“ (Psalm 146,6) – Eine Erklärung zu Christen und Juden als Zeugen der Treue Gottes, 9. November 2016: http://www.ekd.de/synode2016/beschluesse/s16_05_6_kundgebung_erklaerung_zu_christen_und_juden.html (zuletzt aufgerufen: 29.5.2020).
  10. Zit. n. Martin Stöhr: „Gespräche nach Abels Ermordung. Die Anfänge des jüdisch-christlichen Dialogs“, in: Micha Brumlik et al. (Hg.): Jüdisches Leben in Deutschland seit 1945, Frankfurt a. M. 1988, 197–229, hier 198 f.
  11. Albert Scherr: Expertise: Verbreitung von Stereotypen über Juden und antisemitischer Vorurteile in der evangelischen Kirche, Freiburg i. Br. 2011, 4: https://bagkr.de/wp-content/uploads/2018/07/scherr_AS-in-der-ev-Kirche.pdf (zuletzt aufgerufen: 29.5.2020).
  12. Ebd., 15.
  13. Siehe das vielleicht beste Bild für die Begründung christlichen Antisemitismus: „Im Bild des Juden, das die Völkischen vor der Welt aufrichten, drücken sie ihr eigenes Wesen aus. Ihr Gelüste ist ausschließlicher Besitz, Aneignung, Macht ohne Grenzen, um jeden Preis. Den Juden mit dieser Schuld beladen, als Herrscher verhöhnt, schlagen sie ans Kreuz, endlos das Opfer wiederholend, an dessen Kraft sie nicht glauben können.“ (Horkheimer; Adorno: „Elemente des Antisemitismus“, in: dies.: Dialektik der Aufklärung, Frankfurt a. M. 1971, 151–186, hier 151).

  14. Vgl. dazu die grundlegende Arbeit in der Linie des ähnlich großen Wurfes der „Geschichte des Antisemitismus“ Léon Poliakovs von David Nirenberg: Antijudaism – The western tradition, New York 2013.

  15. Theodor W. Adorno: „Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute“, in: Das Argument 29 (6), 1964, 88–104, hier 90 f.: http://www.inkrit.de/mediadaten/archivargument/DA029/DA029.pdf (zuletzt aufgerufen: 29.5.2020).
  16. Martin Luther: „Von den Jüden und ihren Lügen“ (1542), in: Weimarer Ausgabe LIII, 520.
  17. Stefanie Schüler-Springorum, DRadio-Interview: http://www.deutschlandfunk.de/kirche-und-antisemitismus-antisemitismus-als-politische.886.de.html?dram%3Aarticle_id=378021 (zuletzt aufgerufen: 29.5.2020).
  18. Zit. n. Alexander Dietz; Stefan Gillich (Hg.): Armut und Ausgrenzung überwinden: Impulse aus Theologie, Kirche und Diakonie. Festschrift für Dr. Wolfgang Gern, Leipzig 2016, Fußnote 33.
  19. Jochen Vollmer:Der Israel-Palästina-Konflikt und die Befreiung der Theologie. Vom Nationalgott Jahwe zum Herrn der Welt und aller Völker“, in: Deutsches Pfarrerblatt 8, 2011, Abschnitt 5: https://www.pfarrerverband.de/pfarrerblatt/archiv?tx_pvpfarrerblatt_pi1%5Baction%5D=show&tx_pvpfarrerblatt_pi1%5Bcontroller%5D=Item&tx_pvpfarrerblatt_pi1%5Bitem%5D=3030&cHash=4945c891c30dfe91c75a059436cfcb69 (zuletzt aufgerufen: 29.5.2020).